Autor: Sandra Klinkmann
Mikroplastik: Was ist das eigentlich?
Eine Frage, die Kathrin Oelschlägel und Dr. Annegret Potthoff versuchen zu beantworten. | Interview #SONNE1
Zu verstehen, was Mikroplastik ist und wie es entsteht, ist wichtig. Bereits jetzt wurden erste Spuren von Plastik in menschlichen Ausscheidungen gefunden. Außerdem gelangen große Mengen an Plastikmüll täglich in die Ozeane. Regelmäßig berichten Nachrichten über verhungerte Vögel, Fische und Wale, deren Mägen mit Plastik gefüllt waren. Das verheerende daran ist, dass die Langzeitschäden, die Plastik auslösen kann, noch größtenteils unerforscht sind. Es ist wichtig – sowohl für uns Menschen als auch für die Umwelt – das Mikroplastik zu verstehen.
Im ersten Teil des Interviews zu Mikroplastik stellen wir Ihnen die beiden IKTS-Forscherinnen vor, die am Institut den Auswirkungen der Plastik auf der Spur sind.
Wie sind Sie, Frau Oelschlägel, zum Fraunhofer IKTS gekommen?
Oelschlägel: Studiert habe ich Chemieingenieurwesen; insbesondere mechanische Verfahrenstechnik, also Partikelmesstechnik, interessierte mich schon immer. Das Thema liegt mir, deswegen wollte ich gern diese Richtung einschlagen. Für meinen großen Beleg bewarb ich mich dann am Fraunhofer IKTS, wurde angenommen und durfte diesen bei Frau Dr. Potthoff zum Thema »Zinkoxid-Nanopartikel in physiologischen Medien« schreiben. In dem Zusammenhang kam ich zum ersten Mal mit Nanomaterial in Berührung. Ich konnte als studentische Hilfskraft und Diplomandin weiterhin am Institut bleiben und beschäftigte mich dann mit hochkonzentrierten Suspensionen für das thermische Spritzen, die photokatalytisch aktiv sind – ein ganz anderes Gebiet, das später aber Thema meiner Diplomarbeit war. Für diese Arbeit führte ich z. B. Versuche mit UV-Licht durch. Jetzt bei der Dissertation setzen sich letztlich alle einzelnen Schritte wie ein Puzzle zusammen.
Frau Potthoff, wie fügt sich das Thema in Ihre Gruppe »Pulver- und Suspensionscharakterisierung« ein? Passt Mikroplastik mit Suspension zusammen?
Potthoff: Das passt total gut! Partikel und Suspension sind letztlich weite Begriffe. Partikuläres Material kann man bewusst oder unbewusst einsetzen. Als Rohstoff etwa anmustern, verarbeiten und Hüftgelenke herstellen. Oder es sind Materialien, die partikulär in einer anderen Flüssigkeit vorliegen, wie zum Beispiel Plastikpartikel im Wasser – hoffentlich als sehr niedrig konzentrierte Suspension. Die Analytik und das, was wir in der Gruppe machen, ist ähnlich: ob man nun im keramischen Bereich Schlickern aus Sicht der Partikel, Partikeloberfläche und deren Interaktion mit dem umgebenden Medium analysiert, oder ob man in der Natur vom Mensch hinterlassene Materialien untersucht. So gesehen, ist das Erforschen der Mikroplastik eine logische Fortsetzung dessen, was wir schon tun und wo wir von unseren in andern Bereichen bereits erforschten Methoden partizipieren können.
Existiert ein Wissenstransfer beziehungsweise eine Partizipation?
Potthoff: Beides eigentlich. Wir beide profitieren von dem, was wir schon gemacht haben. Auf der anderen Seite stellen uns die Plastikpartikel vor neue Herausforderungen. Ein grundlegender Unterschied besteht in der Dichte. Alle keramischen Materialien, mit denen wir arbeiten, haben eine deutlich höhere Dichte als Wasser. Sie setzen sich im Wasser ab. Das ist bei Polymeren, sprich Plastik, nicht der Fall. Das System ist wesentlich dynamischer. Denn die Partikel bewegen sich dabei im Grenzbereich zwischen Aufschwimmen, Schweben oder Absetzen. Das sehe ich als deutliche Erweiterung.
Frau Oelschlägel, wieso entschieden Sie sich gerade für das Thema »Mikroplastik«?
Oelschlägel: Als ich aus meiner Elternzeit wiederkam, lag Annegret Potthoff die Bestätigung zu einem Projektantrag vor. Sie sagte: »Hier gibt’s ein neues Thema für dich!« Wir sprachen vorweg bereits, dass ich gerne in diesem Bereich weiterarbeiten und promovieren möchte. Die Herausforderung dabei war, sich nochmal in ein komplett neues Thema einzuarbeiten. Ich nahm sie an, weil das Thema unheimlich spannend klingt und thematisch alles zusammenkommt: ich konnte wieder zurück in den Kleinpartikel- beziehungsweise Nanopartikelbereich. Außerdem steckt in der Aufgabe viel Messtechnik; vor allem breite Messtechnik, da ich viele Faktoren beachten muss. Gerade das reizte mich: die ungeheure Komplexität des Themas.
Bei Ihrer Arbeit geht es ja darum, das Mikroplastik so umfassend zu verstehen, um es zu vermeiden. Versuchen Sie selbst Plastik im Alltag zu vermeiden?
Oelschlägel: Genau, das ist das hehre und große Ziel am Ende des Weges. Es ist so, dass sich mein Blick stark geändert hat. Mir fällt der Kunststoff in der Umwelt und im Alltag viel deutlicher auf. Als ich anfing, mich mit dem Thema zu befassen, war ich schockiert, wie viel Plastik um einen herum existiert – auch wenn es nur die Brille, Kleidung, Zahnbürste oder der Fahrradhelm ist. Das ist alles Kunststoff! Dort, wo wir verzichten können, ist Kunststoff in unserer Familie verschwunden. Ich achte darauf und inzwischen auch meine Kinder. Wenn ich mit meiner Tochter am Strand spaziere und sie sagt: »Guck mal, da liegt Plastikmüll!«, dann sammeln wir ihn ein. Oder auf dem Spielplatz, wo ein Kind seine Obstmustüte fallen ließ, entsorgen wir sie. Früher nahm ich den Plastikmüll auch wahr, aber ich empfand ihn nicht als derart kritisch. Inzwischen stört es mich und finde: das muss nicht sein!
Wie die Forschung zu Mikroplastik am IKTS konkret aussieht, erfahren Sie im nächsten Teil unseres Interviewserie »#SONNE« mit Kathrin Oelschlägel und Annegret Potthoff.
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