Wasserstoffnutzung im Industrie-, Energie- und Mobilitätssektor

Wasserstoff für Klimaschutz

Der Einsatz von Wasserstofftechnologien zielt darauf ab, Emissionen von Treibhausgasen wie CO2 und anderen klimaschädlichen Gasen wie Methan zu senken. Der Blick liegt dabei vor allem auf Anwendungen, bei denen derzeit fossile Energieträger genutzt werden, um elektrische Energie (z. B. Kohle und Erdgas im Kraftwerk) bzw. Antriebsenergie (z. B. Diesel oder Benzin in Fahrzeugen) bereitzustellen.

Ein wesentlicher Teil der CO2-Emissionen – in Deutschland etwa 21 % – geht jedoch auf komplexe industrielle Prozesse zurück. Durch den Einsatz von grünem Wasserstoff können Prozesse in der Industrie, die bisher in hohem Maße zur Emission von Treibhausgasen führen, klimaneutral gestaltet werden. Daraus ergeben sich zwei mögliche Strategien: die Nutzung von CO2 unter Einsatz von Wasserstoff zur Erzeugung chemischer Wertstoffe (Carbon Capture and Utilization, CCU) und die vollständige Vermeidung der Emissionen durch die Substitution kohlenstoffhaltiger Komponenten in der Prozesskette (Carbon Direct Avoidance, CDA).

Wasserstoff als Prozessgas

CO2-freie Produktionsprozesse

Die Herstellung von Ammoniak sowie die Stahlproduktion sind im Hinblick auf das Reduzierungspotenzial besonders relevante Produktionsverfahren, bei denen wasserstoffbasierte Konzepte zur direkten CO2-Vermeidung effektiv eingesetzt werden können. Bei der Stahlherstellung wird im etablierten Hochofenprozess Koks verwendet, um Eisenerz in Roheisen umzusetzen. Um das dabei frei werdende CO2 zu vermeiden, muss dieser Reduktionsprozess von einem kohlebasierten zu einem wasserstoff- bzw. synthesegasbasierten Verfahren umgestellt werden. Sogenannte Direktreduktionsverfahren sind bereits technisch für den Betrieb mit Erdgas etabliert, lassen sich jedoch auch mit Wasserstoff betreiben. Durch den Einsatz von großskaligen Elektrolyseuren können die Emissionen in der Stahlerzeugung signifikant reduziert werden.

Insbesondere die Hochtemperatur-Elektrolyse ist in diesem Zusammenhang ein vielversprechender Technologieansatz, da die vorhandene Abwärme genutzt und Synthesegas direkt erzeugt werden kann. Das Fraunhofer IKTS entwickelt Verfahrenskonzepte auf Basis eigener Hochtemperatur-Elektrolysezellen und Stacks. Diese sind modular ausgelegt und können erneuerbare Energien flexibel einbinden. Dadurch wird es möglich, Regelleistung durch das Stahlwerk bereitzustellen und das erneuerbare Energiesystem zu stützen.

Ammoniak, ein Grundstoff für Düngemittel, ist für die Ernährung der Weltbevölkerung inzwischen elementar geworden. Für die Synthese von Ammoniak wird neben Stickstoff auch Wasserstoff benötigt. Dieser wird aktuell aus Erdgas reformiert, wobei große Mengen CO2 freigesetzt werden. Einen alternativen Ansatz bietet die Elektrolyse. Da während des Reformierungsprozesses auch der notwendige Stickstoff erzeugt wird, muss dieser in neuen Produktionsrouten auf anderem Weg verfügbar gemacht werden, beispielsweise über Luftzerlegung. Dafür werden neue, effiziente und insbesondere auch wirtschaftliche Verfahrenskonzepte benötigt. Am Fraunhofer IKTS durchgeführte techno-ökonomische Analysen zeigen, dass auch in diesem Fall die Hochtemperatur-Elektrolyse vorteilhaft eingesetzt werden kann.

Für eine CO2-arme Stahlerzeugung oder Ammoniaksynthese ist die Umstellung eines großen Teils der etablierten Prozesskette notwendig. Dies ist mit hohen Investitionskosten verbunden, erlaubt jedoch eine signifikante Minderung der Emissionswerte. Da die Hochtemperatur-Elektrolyse aufgrund des hohen elektrischen Wirkungsgrades deutliche Vorteile hinsichtlich der Betriebskosten aufweist, zielen aktuelle Arbeiten am Fraunhofer IKTS auf die Skalierung der Technologie für die großtechnische Anwendung ab. Der über die Elektrolyse produzierte grüne Wasserstoff kann neben der Ammoniaksynthese auch kurzfristig in bestehenden Raffinerien als Ersatz für grauen Wasserstoff aus der Dampfreformierung von Erdgas eingesetzt werden.

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CO2-arme Stahlproduktion durch Prozessintegration der Hochtemperatur-Elektrolyse.
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Durch ein wasserstoffbasiertes Direktreduktionsverfahren kann eine CO2-Reduktion von mehr als 95 % erreicht werden.
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Im Vergleich zur PEM-Elektrolyse können mit der Hochtemperatur-Elektrolyse zukünftig geringere CO2-Vermeidungskosten erreicht werden.

CO2-Nutzung für werthaltige Produkte

Neben der Wasserstoffnutzung zur Vermeidung von CO2-Emissionen besteht die Möglichkeit, unvermeidbare CO2-Emissionen als Kohlenstoffquelle zu nutzen. Damit lassen sich werthaltige Produkte wie Kraftstoffe für den Flug- und Schwerlastverkehr oder höhere Alkohole und Wachse als Ausgangsstoff für die Kosmetik- und chemische Industrie gewinnen. Solche hochwertigen Produkte können aufgrund des höheren Erlöses die Wirtschaftlichkeit neuer Produktionsrouten beispielsweise in der Kalk- und Zementindustrie zusätzlich steigern. Bei der großskaligen Umsetzung ist es dennoch erforderlich, einen entsprechenden Anreiz für den Bau und Betrieb von Elektrolyse-basierten Anlagen zu schaffen.

Für die Herstellung von werthaltigen Produkten aus CO2 und Wasserstoff ist die Fischer-Tropsch-Synthese eine besonders geeignete Technologie. Mit diesem Verfahren lässt sich eine große Anzahl an unterschiedlichen kohlenstoffhaltigen Produkten erzeugen. Um einen möglichst hohen energetischen Wirkungsgrad und Kohlenstoffnutzungsgrad zu erzielen, ist eine enge Kopplung mit der Elektrolyse bzw. Co-Elektrolyse erforderlich. Über das Co-Elektrolyse-Verfahren lässt sich zudem Synthesegas direkt bereitstellen. So kann eine hoch-effiziente Erzeugung der chemischen Wertprodukte erreicht werden.

Am Fraunhofer IKTS stehen neben theoretischen Betrachtungen zur Prozesskette auch umfangreiche Entwicklungen zu keramischen Katalysatorträgern und Reaktoren für die Fischer-Tropsch-Synthese im Fokus. In einer eigens konzipierten und betriebenen Anlage konnte bereits die gesamte Prozesskette zur Herstellung hochwertiger Produkte aus CO2 und H2O realisiert werden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden aktuell in Pilot- und Demonstrationsanlagen an industriellen Standorten erprobt.



Aus CO2 und Wasserstoff lassen sich werthaltige Produkte wie langkettige Alkohole gewinnen.
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Im Vergleich zur PEM-Elektrolyse können mit der Hochtemperatur-Elektrolyse ein höheres CO2-Vermeidungspotenzial sowie geringere CO2-Vermeidungskosten erreicht werden.
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Mit der Kopplung von Hochtemperatur-Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese lässt sich ein hochwertiges Produktspektrum mit einem hohen Anteil langkettiger Kohlenwasserstoffe gewinnen.

Wasserstoff als Energieträger

Strom und Wärme

Neben dem Einsatz von grünem Wasserstoff zur Herstellung wichtiger Grund- und Wertprodukte ist die Anwendung als chemischer Speicher eine weitere Option. Dies macht das Gas zu einem wesentlichen Baustein erneuerbarer Energiesysteme und erlaubt verschiedene Pfade für dessen direkte Nutzung.

Eine Möglichkeit ist die Wasserstoffspeicherung in dafür geeigneten Kavernen und die bedarfsgerechte Rückverstromung über Gasturbinen oder hocheffiziente Hochtemperatur-Brennstoffzellen. Dadurch kann Regelleistung für das Stromnetz angeboten und dieses auch bei hohen Anteilen erneuerbarer Energie stabilisiert werden. Hierfür hat das Fraunhofer IKTS über keramische Brennstoffzellen und -stacks hinaus bereits Systemkonzepte erstellt und erfolgreich in Anwendung gebracht, beispielsweise für die Hausenergieversorgung oder die Verstromung von Biogas. 

Zudem kann Wasserstoff zukünftig als erneuerbare Alternative zu fossilen Brennstoffen in industriellen Feuerungsanlagen in der Stahl-, Kalk- oder Zementindustrie zum Einsatz kommen, um die notwendigen hohen Temperaturen bereitzustellen. Damit lässt sich auch in diesem Bereich eine Senkung der CO2-Emissionen erreichen.

 

Mobilität

Gerade im Mobilitätssektor besteht ein großer Handlungsbedarf, da trotz zahlreicher Bestrebungen in den letzten Jahrzehnten keine Minderung der CO2-Emissionen in diesem Bereich erreicht werden konnte. Wasserstoffbetriebene Züge und Lkw bieten neben dem rein elektrischen Antrieb und im Zusammenspiel mit einem Ausbau des ÖPNV einen Lösungsansatz im Verkehrssektor.

Für die breite Akzeptanz von Wasserstofftechnologien in der Mobilität ist eine wirtschaftliche und vor allem zuverlässige Infrastruktur Voraussetzung. Die zentrale Komponente zur Speicherung des flüssigen Wasserstoffs ist der Drucktank, der immer häufiger als gewickeltes Bauteil aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) hergestellt wird.

Zur permanenten Überwachung von Wasserstoffdrucktanks verfügt das Fraunhofer IKTS über ein Monitoringsystem auf Basis von geführten Ultraschallwellen. Bei Strukturänderungen im Material oder einem Defekt zeigen sich signifikante Abweichungen der Messsignale gegenüber dem ursprünglichen fehlerfreien Zustand. Durch einen Abgleich der Signale mit einer Fehlerdatenbank können so Strukturänderungen oder Defekte lokalisiert und klassifiziert werden. In Zukunft wird es zudem möglich sein, Aussagen zur Restlebensdauer des Drucktanks zu treffen. Das Monitoringsystem kann auch zur Überwachung von industriellen Wasserstofftanks angewendet werden.

Neben wasserstoff- und batteriebetriebenen Fahrzeugen ist auch die Nutzung synthetischer Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff zu erwarten. Zusätzlich zum Schwerlastverkehr ist insbesondere der Flugverkehr zu nennen. Hier können die am Fraunhofer IKTS entwickelten Verfahren der CO2-Nutzung zur Herstellung synthetischen Kerosins genutzt werden.