Autor: Martin Kunath
RECOSiC©-Recyclingverfahren für hochwertiges Siliciumcarbid senkt CO2-Bilanz
In den vergangenen Jahren konnte aufgrund intensiver Entwicklung der ESK-SIC GmbH und des Fraunhofer IKTS ein neues Recyclingverfahren entwickelt werden, mit dem sich der nicht nutzbare SiC-Ausschuss zu hochwertigem, beinahe 100%igem SiC recyclen lässt. Der Prozess emittiert dabei nur 0,75 Tonnen CO2 je Tonne SiC und erzeugt einen qualitativ hochwertigen SiC-Ausgangsstoff, der für die Produktion von Komponenten genutzt werden kann.
Im Interview sprechen Guido Müller (Geschäftsführer der ESK-SIC GmbH), Matthias Hausmann (Leiter »Forschung und Entwicklung / Technologie« der ESK-SIC GmbH), Dr. Reinhard Joas (Geschäftsführer von SiCMa), Prof. Alexander Michaelis (Institutsleiter des Fraunhofer IKTS) und Jörg Adler (Abteilungsleiter »Nichtoxidkeramik« des Fraunhofer IKTS) über den großen Stellenwert von innovativen Verfahren in der Rohstoffherstellung und -aufbereitung.
2022 wird für Sie ja ein ganz besonderes Jahr. Ihr Unternehmen feiert in diesem Jahr 100-jähriges Bestehen. Herzlichen Glückwunsch!
Guido Müller: Vielen Dank. Es war ein langer Weg der ESK von einer Firma, die zur Wacker-Gruppe gehörte und dann im Rahmen eines Management-Buy-Outs eigenständig wurde. Dabei haben wir eine Industrie geformt, die weltweit eine Bedeutung hat. Wir sind damit mit einer der letzten europäischen Produzenten von Siliciumcarbid, der über eine Komplettproduktion verfügt. Wir glauben, dass wir damit eine große Lücke schließen. Schließlich wären diese Produkte ansonsten vor allem noch aus China oder Südamerika erhältlich.
Was würden Sie sagen, wie hat sich der Markt für SiC-Rohstoffe und Produkte in den vergangenen Jahren verändert?
Guido Müller: Bezüglich der Produkte hat sich der Markt insofern verändert, dass die Nachfrage nach Schleifmitteln zurückgegangen ist. Die Feuerfestindustrie fragt verstärkt Produkte nach und auch die Technische Keramik tritt einen Weg nach vorne an. Für die Rohstoffe für SiC betreiben wir ein eigenes Rohstoffwerk in Europa. Die Strompreise bereiten uns allerdings erhebliche Sorgen.
Was war Ihre Motivation, sich intensiver mit dem gesamten Lebenszyklus Ihrer Produkte zu befassen, speziell aus energetischer und Klimasicht?
Guido Müller: Es ist eine absolute Notwendigkeit. Betrachtet man die Bilanz von SiC, fällt auf, dass diese energietechnisch eher schlecht ist. Zudem sind die CO2-Emissionen, allein schon die reaktionsbedingten, enorm. Das Standardverfahren lässt sich allerdings nicht wesentlich verbessern. Nachhaltigkeit wird immer mehr gefordert und ist aufgrund der aktuellen Klimaveränderung auch zwingend notwendig. Deswegen ist es uns ein Anliegen, den Lebenszyklus unserer Produkte genauer zu betrachten. Der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ist der ESK in den letzten Jahren immer wichtiger geworden und wir arbeiten stets daran, auch in unserem Tagesgeschäft nachhaltiger zu werden. Dazu gehören ständige energetische Optimierungen ebenso wie Biodiversitätsprojekte an unserem Standort und in der Umgebung.
Zudem lebt die ESK vom Service und der Entwicklung und strebt keine Preisführerschaft an. Die Wettbewerber von ESK haben häufig vorteilhaftere Standorte, z. B. mit günstigerer Energiekosten durch ein Wasserkraftwerk direkt nebenan oder mit niedrigeren Lohnkosten. Deswegen setzt ESK auf hochwertige Produkte und Entwicklung, sodass wir dem Wettbewerb immer einen Schritt voraus sind.
Herr Prof. Michaelis, sehen Sie vergleichbare Entwicklungen in anderen Feldern keramischer Rohstoffe, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Prof. Alexander Michaelis: Selbstverständlich ist Nachhaltigkeit ein Thema, das die gesamte Keramikindustrie als eine energieintensive Industrie trifft. Gleichzeitig ist Keramik als eine Enabling-Technologie für viele energieeffiziente Verfahren notwendig. Deswegen müssen Keramikhersteller im Land bleiben, damit die energieeffizienten Technologien davon profitieren und weiterentwickelt werden können.
SiC ist eine klassische Keramik, eines der Arbeitspferde im Bereich der Strukturkeramiken, aber auch eine der energieintensivsten Materialien in der Herstellung. Beim Acheson-Verfahren wird eine große Menge Strom verbraucht. Bei der Herstellung von 1 Tonne SiC werden ca. 4,5 Tonnen CO2 verursacht (europäischer Strommix). IKTS und ESK haben zusammen ein Verfahren entwickelt, das weniger als 1 Tonne CO2 ausstößt. Die Differenz beträgt also 3 Tonnen CO2. Wenn wir bedenken, dass der Weltmarkt 1 Mio. Tonnen produziert, entspricht der Unterschied 3 Mio. Tonnen CO2 – mehr CO2 als die gesamte Keramikindustrie in Deutschland verursacht. Das zeigt, dass eine Weiterentwicklung der Technologie sehr wichtig ist und ein reines Abschalten von Produktion als Maßnahme viel weniger effizient. Die Entwicklung von RECOSiC© ist ein besonders schönes Beispiel für die Effektivität CO2-einsparender Maßnahmen.
Warum haben Sie sich das Fraunhofer IKTS als Partner für die Entwicklung ausgesucht?
Guido Müller: Es war für uns die erste Wahl, weil das IKTS im Bereich Keramik und insbesondere SiC einen hohen Wissensstandard hat. Das IKTS ergänzt das Wissen in unserem Familienunternehmen und stellt uns u. a. ein überragendes Wissen bezüglich Anlagen und Technologien bereit. Die Kombination aus praktischem Wissen und dem Entwicklungsfokus bei der ESK wird durch die im IKTS gelebte Arbeitsweise, Forschung gepaart mit praktischer Anwendung, ergänzt. Dies hilft einem Familienunternehmen wie der ESK die gewünschten Entwicklungen weiter voranzubringen.
Wie haben Ihre Kunden auf Ihr Angebot reagiert? Gab es Vorbehalte bzgl. der Qualität der Produkte, Verarbeitbarkeit in bestehenden Prozessen?
Guido Müller: Die Reaktion war zweigeteilt. Am Anfang haben die Kunden von einem recycelten Material einen Kostenvorteil erwartet. Inzwischen gibt es eine hohe Resonanz, diese bezieht sich hauptsächlich auf die Wiederverwertbarkeit des Materials und die starke CO2-Reduzierung von ca. 80 %.
Ab wann können Sie »grünes« SiC konkret anbieten und welche Kundensegmente profitieren Ihrer Ansicht nach am meisten von einem verminderten CO2-Rucksack?
Matthias Hausmann: Wir hoffen, dass wir Ende 2023 so weit sein werden, dass die ersten Tonnen von recyceltem SiC das Werksgelände verlassen. Das recycelte SiC ist übrigens nicht zwangsläufig ein farblich grünes SiC, es wird sowohl recyceltes grünes und auch dunkles SiC geben, aber es ist in jedem Fall ein nachhaltigeres SiC. Allerdings können wir mit der ersten Recycling-Anlage in Produktionsgröße, welche hier am IKTS installiert wird und in enger Zusammenarbeit von IKTS und ESK realisiert wurde, schon ab Q2 dieses Jahrs größere Mustermengen für Kunden erzeugen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Mit Sicherheit profitieren zuerst einmal alle Kunden gleichermaßen, da die Roh-SiC-Erzeugung immer der energie- und emissionsintensivste Teil eines jeden SiC-Pulvers sein wird. Insbesondere werden natürlich Kunden profitieren, die den CO2-Footprint ihrer Produkte ähnlich kritisch hinterfragen, wie wir dies machen. Um diesbezüglich eine noch größere Transparenz zu erreichen, betrachten wir in Life-Cycle-Assessments Stufe um Stufe auch die energiebilanztechnischen Einflüsse unserer Pulveraufbereitungsschritte nach der eigentlichen Synthese.
Herr Adler, gibt es Ihrerseits weitere Ideen für die Emissionsminderung in der Herstellung und Aufbereitung von Keramiken?
Jörg Adler: Dies würde jetzt wohl den Rahmen sprengen, weil das an vielen Stellen in der Keramikindustrie eine Rolle spielt. In der Technischen Keramik gibt es gerade sehr viele synthetische Rohstoffe, die auch energieintensiv hergestellt werden. Aber ich kann hier vor allem als Fachmann für SiC sprechen. Auch bei SiC gibt es noch mehr Potenzial für eine Verringerung des Energieverbrauchs und höhere Ressourceneffizienz. Mit diesem Potenzial muss man sich vor allem langfristig gesehen beschäftigen. Wenn wir Produkte recyceln, die ursprünglich energieintensiv hergestellt worden sind, sind die Möglichkeiten begrenzt. Momentan ist der Fokus auf Recycling sehr wichtig, aber langfristig gesehen muss auch der Primärrohstoff weniger energieintensiv hergestellt werden.
Was würden Sie sich alle für die Zukunft wünschen, um weitere Kunden und Partner an Bord zu holen?
Prof. Alexander Michaelis: Ich glaube, wir sind derzeit wunschlos glücklich. Wir haben erst einmal sehr vielversprechende Ergebnisse und einen Plan, der nun umgesetzt werden muss. Wir wünschen uns, dass ESK wirklich im Stande sein wird, diesen Plan umzusetzen, der zeitlich sehr anspruchsvoll ist.
Als IKTS möchten wir die Umsetzung gerne unterstützen, wo wir können. Vielleicht dadurch, dass wir die schon hervorragende Zusammenarbeit strategisch weiter ausbauen.
Vielen Dank für das Interview.
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