Autoren: Georg Lautenschläger | Anika Peucker
Der Röntgenblick: Durchleuchtet von Kopf bis Fuß
Fragten Sie sich schon einmal, wie ein Räuchermann im Inneren, dem Unsichtbaren, aussieht? Besteht der Korpus aus einem Stück? Welches Material verarbeitete der Hersteller? Wir fragten uns genau dieses und erhielten Antworten! Wie? – Indem wir den Räuchermann mit der Mikrocomputertomographie (µCT) von Kopf bis Fuß durchleuchteten. Schauen wir sie uns einmal gemeinsam an.
Die Computertomographie (CT) ist ein Röntgenverfahren, das Sie aus der Medizin kennen. Kopf, Oberköper oder Bauch werden aus verschiedenen Winkeln durchstrahlt und die aufgenommenen Daten via rechnergestützter Datenverarbeitung zu 2D-Schnittbildern oder 3D-Schichtbildern zusammengesetzt. Aber nicht nur in der Medizin auch in der Materialdiagnostik verwenden wir dieses Verfahren, denn es hilft uns Fehler in Bauteilen, ohne sie zu zerstören, zu erkennen. Der Kunde entdeckt damit frühzeitig Ausschussware und erspart sich seinerseits Kundenreklamation und Vertrauensverlust. Was aber noch viel wichtiger ist: Er zahlt so auf die Sicherheit des Endprodukts ein und damit auf ein Lebensgefühl, das uns alle angeht. Denn denken Sie etwa an sicherheitsrelevante Karosseriebauteile oder Elektronikkomponenten: Nichts ist uns wichtiger, als uns auf ihre Funktionstüchtigkeit zu verlassen.
Mit der industriellen µCT können wir aber auch in die Vergangenheit schauen. Was das meint? Auch archäologisch und historisch relevante Funde untersuchen wir mit der Mikrocomputertomographie zerstörungsfrei. So erkennt der Restaurator das Bild hinter dem Bild, der jahrzehntelang verborgene Inhalt eines geschlossenen Gefäßes wird plötzlich sichtbar oder wir entdecken, welch großartige und filigrane Leistung die Uhrmacher einer historischen Taschenuhr erbrachten. All das ist mit Röntgenstrahlen ebenso möglich.
Ein neueres Verfahren, die High Resolution Computed Laminography (HRCL), eine Fraunhofer IKTS Entwicklung, geht noch einen Schritt weiter. Bisher konnte die Industrie sehr flache Bauteile, beispielsweise Leiterplatten, nur unzureichend auf Fehler prüfen. Der Abstand zwischen dem Prüfling und der Röntgenquelle war einfach zu groß, um kleinste Risse oder Poren zu entdecken ohne die Probe dabei zu beschädigen. Mit der HRCL können wir nun den flächigen Prüfling sehr nahe an der Röntgenquelle positionieren. Damit lassen sich etwa Steuerplatinen für Automotive- oder Leistungselektronik sowie eingebettete Systeme beliebiger Größe ohne Schwierigkeiten zerstörungsfrei und funktionserhaltend untersuchen. Darüber hinaus können wir die gewonnenen Daten mit 3D-CAD-Progammen weiterverarbeiten – dazu morgen mehr. Auch dienen die Daten als Grundlage für Rapid-Prototyping-Anwendungen.
Aber nochmal zurück zu unserem Räuchermann. In den 2D-Schnitten können wir uns genau eine bestimmte Schicht im Räuchermann ansehen, einmal von vorne und einmal von der Seite jeweils ziemlich in der Mitte. Im 3D-Bild sehen wir ihn komplett durchleuchtet von Kopf bis Fuß. Teilweise überlagern sich Strukturen. Dafür erhalten wir allerdings ein ganzheitliches Verständnis.
Dachten Sie, unser Räuchermann wäre aus einem Holz geschnitzt? Ist er nicht! Der Hersteller verwendete verschiedene Hölzer. Zu erkennen ist dies an den unterschiedlichen Intensitäten sowie den verschieden starken und geformten Jahresringe, wenn wir durch die verschiedenen Schnitte navigieren.
Sie sehen: Mit der Mikrocomputertomographie und der HRCL können wir für die Industrie das Unsichtbare detailliert erforschen. Erfahren Sie auf in diesem kurzen Video mehr dazu.
Hier entlang geht es zum vorherigen Beitrag: »Der Reaktor auf dem Küchentisch«. Hier gelangen Sie zum Nächsten: »Die Vermessung des Räuchermanns«.
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