Autor: Anika Peucker

Oxidkeramik: Zahnimplantate mit Ästhetik

Der halbjährige Gang zum Zahnarzt. Nicht gerade mein Lieblingsweg und ich schätze, vielen von Ihnen geht es ähnlich. Er muss aber sein. Denn noch unangenehmer wird es, wenn ein Termin außer der Reihe ansteht. Man quält sich schmerzgeplagt hin. Erwartet nichts Gutes. Hört Hiobsbotschaften wie Bohren, Wurzelbehandlung oder der Worst Case: Wir müssen den Zahn ziehen. Ist der Zahn nicht mehr zu retten, folgt meist das Implantat – häufig aus Metall, eben Titan. Doch gibt es Alternativen?

 

Metall versus Keramik – nicht nur ein ästhetischer Aspekt

Ja. Es gibt sie und zwar in Form keramischer Vollimplantate. Als Implantat wird der Stift bezeichnet, der in den Kieferknochen »eingepflanzt« wird. Darauf setzt der Zahnarzt die Zahnkrone.

Keramikimplantate existieren bereits seit einigen Jahren und bilden eine schonende, metallfreie Alternative für alle, die Metall im Körper ablehnen oder allergisch darauf reagieren. Bisher waren sie teuer. Doch das könnte sich durch neue, optimierte Verfahren bald ändern. Außerdem bieten sie ästhetische Vorteile bei entzündungsanfälligem Zahnfleisch. Häufig bildet es sich mit dem darunterliegenden Knochen zurück. Diese sogenannte Weichteilrezession legt die Zahnwurzel frei. Trägt der Patient an der Stelle ein Titanimplantat, schimmert das Metallgrau durch. Für die meisten Betroffenen ein ästhetisches No-Go. Keramikimplantate hingegen imitieren die Zahnfarbe nach. Sie fügen sich in das natürliche Rot-Weiß-Bild des Kiefers gerade bei solchen Rezessionen ein. Einem strahlenden, unbefangenen Lächeln steht dann nichts im Weg.

Bei der Wahl des geeigneten Implantats spielen jedoch nicht nur Ästhetik und Kosten eine Rolle. Oberflächenstruktur, Lebensdauer, Bruchfestigkeit und das Heiß-Kalt-Empfinden sind weitere entscheidende Kriterien, damit sich ein Implantat auf lange Sicht im Kiefer einfügt.

Um bestehende Zahnimplantate hinsichtlich ebendieser Eigenschaften zu verbessern, haben wir in die Natur geschaut. Fündig wurden wir bei den Bienenwaben. Wir nahmen sie zum Vorbild für eine neue Implantat-Generation mit verbesserter Mikrozusammensetzung und Oberflächenstruktur.

Die Wabenstruktur entsteht nach simuliertem Abbild bei der Formgebung der Keramik mit einem speziellen Schlicker aus Yttrium-stabilisiertem Zirkonoxid (Y-TZP). Der Y-TZP-Schlicker, eine zähflüssige Keramik, ist dank einer spezifischen Aufbereitungstechnik besonders dicht und feinstkörnig. Dadurch bildet er die porige Oberflächenstruktur exzellent ab. Zudem gilt das verbesserte Material als sehr alterungsstabil.

Keramische Zahnimplantate und Kronen bieten ästhetische Vorteile.
© Fraunhofer ITKS
Keramische Zahnimplantate und Kronen bieten ästhetische Vorteile.
CAD-Simulation einer keramischen Implantatoberfläche.
© Fraunhofer ITKS
CAD-Simulation einer keramischen Implantatoberfläche.
CAD-Simulation einer keramischen Implantatwurzel (Halbzylinder).
© Fraunhofer ITKS
CAD-Simulation einer keramischen Implantatwurzel (Halbzylinder).

Exzellente Passform und Individualisierung durch durchgängige CAD/CAM-Prozesskette

Zum Erstellen der Form, in die der Schlicker gegossen wird, wurde mit industriellen Partnern eine CAD/CAM-Prozesskette entwickelt. Eine solche Prozesskette aus grafischer CAD (computer-aided design)-Simulation und sich anschließendem CAM (computer-aided manufacturing)-System erlaubt das Implantat zu personalisieren.

Der verbesserte Schlicker und der geänderte Herstellungsprozess liefern außerdem insgesamt 80 Prozent weniger Materialabfall im Vergleich zur gängigen Herstellung von Keramikimplantaten. Bei dem recht teuren und endlichen Material Zirkon ist das bemerkenswert. Die reduzierten Kosten lassen die Keramikimplantate noch attraktiver erscheinen.

 

Weniger Karies und Allergien zudem äußerst stabil

Die neue Form bietet jedoch noch mehr Vorteile. Die Wabenstruktur sorgt für eine schnellere Osseointegration, ein schnelleres Ein- und Verwachsen mit dem Knochen, denn die Knochenzellen siedeln sich in den Wabenvertiefungen hervorragend an. Das Zirkonoxid fördert zudem die Biokompatibilität. Zellstudien belegen die schnelle Zellbesiedelung an der Keramik – ein Indiz für ihre Materialverträglichkeit.

Im Gegensatz zu verschraubten Implantaten kommt das neue Keramikimplantat ohne Metall und Schrauben aus. Es wird direkt im Kiefer verankert. Dieses verlangt vom Implantologen höchste Präzision und Erfahrung. Beim Einsetzen der Implantate bleibt jedoch mehr knocheneigene Substanz erhalten, was sie insgesamt schonender für den Patienten macht. Außerdem verkleinert die andere Technik den Raum zwischen Knochen und Implantat – der Brutkasten für Bakterien. Das heißt: Das Risiko für Entzündungen, Karies, Parodontose oder allergische Reaktionen sinkt.

Yttrium-stabilisiertes Zirkonoxid: Der Werkstoff zur Implantatherstellung.
© Fraunhofer ITKS
Yttrium-stabilisiertes Zirkonoxid: Der Werkstoff zur Implantatherstellung.
Das fertige, personalisierte Zahnimplantat.
© Fraunhofer ITKS
Das fertige, personalisierte Zahnimplantat.
Beleg der hervoragenden Zellanbindung: Besiedlung der strukturierten Keramikoberfläche nach 24 Stunden.
© Fraunhofer ITKS
Beleg der hervoragenden Zellanbindung: Besiedlung der strukturierten Keramikoberfläche nach 24 Stunden.

Der »Autsch-Effekt«

Kennen Sie den »Autsch-Effekt«? Der Morgenkaffee, das Eis im Sommer, der Tee im Winter. Ein Schluck. Ein schmerzverzerrtes Gesicht. Der kurze Aufschrei. Eben der »Autsch-Effekt« an freiliegenden Zahnhälsen und bei erhöhter Sensitivität für Heißes und Kaltes. Dies passiert auch bei elektrisch leitfähigen Materialien wie Metallen. Zirkonoxid hingegen ist kaum leitfähig. Der Morgenkaffee lässt sich ohne »Schmerzfratze« genießen.

Untersuchungen zur Langlebigkeit und Langzeitstabilität der Implantate liefern überdies spannende Ergebnisse. Die Partikeldichte und Feinkörnigkeit des Zirkonoxids machen das Implantat extrem stabil. Besonders elegant erscheint das gerade für junge Implantatpatienten, denen so womöglich eine häufiger Austausch oder der Wechsel zu einer Brücke erspart bleibt.  

 

Wir bleiben dran!

Wir arbeiten mit unseren Partnern, der Indi Implant Systems GmbH und der ILMCad GmbH, weiter daran, das Produkt für die Serienproduktion vorzubereiten. Denn wir finden: Die Produktoptimierung zeigt deutliche Vorteile gegenüber dem State of the Art. Von diesem Mehrwert soll jeder, der durch Zahnverlust Zahnersatz benötigt, künftig profitieren.

 

#LNdWDD

Die Zahnimplantate und wie sie hergestellt werden, zeigen und erklären wir Ihnen bei der diesjährigen Lange Nacht der Wissenschaft am 16. Juni in Dresden. Von 18 Uhr bis Mitternacht können Sie uns und unsere Nachbarinstitute im Institutszentrum auf der Winterbergstraße besuchen. Neben den Implantaten zeigen wir Ihnen auch unsere Forschung zu Zahnkronen, zum 3D-Druck, den keramischen Leuchtstoffen für LED-Scheinwerfer und anderes mehr. Auch ein Kinderprogramm mit Quiz, Preisen, dem Vergolden eigener Münzen oder dem Herstellen von Zuckerglas bieten wir an. Viel Spannendes erwartet Sie. Schauen Sie doch vorbei. Wir freuen uns, Sie zu sehen.

Mehr Informationen zur Langen Nacht der Wissenschaft Dresden und dem Programm erhalten Sie auf der Website der Dresdner Fraunhofer-Institute oder auf der Seite zur Langen Nacht. Schauen Sie auch einmal bei Facebook und Twitter unter dem Hashtag #LNdWDD vorbei oder hier im Blog, auf unserem Twitter- und Facebook-Kanal. In den kommenden Tagen werden Sie hier weitere Neuigkeiten zur #LNdWDD finden.