Autor: Sandra Klinkmann
Mikroplastik: Wandern zwischen Rückschlägen und Glücksgefühl
Was bisher geschah: Im ersten Teil der #SONNE-Interviewreihe lernten wir unsere beiden Forscherinnen kennen. Sie erzählten uns von ihrem Weg zum Fraunhofer IKTS und wie Mikroplastik mit Suspensionen zusammenhängt. In #SONNE2 lernten wir Methoden kennen, um dem Mikroplastik auf die Spur zu kommen, es näher zu erforschen. Beim letzten Mal schauten wir uns Forschungsfragen am Beispiel »Wasserfloh« an: Kathrin Oelschlägel zeigte uns dabei, wie wichtig das Messen der Eigenschaften der Mikroplastik ist, um sie zu beantworten.
In diesem Interviewteil »#SONNE4« wird es wieder persönlicher. Kathrin Oelschlägel und Annegret Potthoff berichten uns von ihren Aha-Momenten, aber auch von den Rückschlägen, die sie erfuhren. | Interview #SONNE4
Was waren bisher Ihr persönlichen Highlights in Ihrer Forschung?
Oelschlägel: Das erste absolute Highlight war letztes Jahr, als die Aufschwimmversuche für die Bestimmung der Dichte funktionierten und ich zwischen den einzelnen Partikeln Unterschiede feststellen konnte. Ich hatte nun eine Methode, die sensitiv genug ist, um feinste Unterschiede zu detektieren. Dies war ein Glücksmoment, denn wir überlegten lange, wie wir die Aufschwimmversuche anlegen, um feinste Partikelunterschiede zu messen.
Ein anderes war das Bestimmen der Oberflächenladung. Dazu hatten wir eine Idee. Die wollten wir umsetzen: Wenn reines Polymer etwas länger im Meer schwimmt, setzt sich darauf ein Algenfilm ab. Der Algenfilm müsste theoretisch die Oberflächenladung verändern. Im Experiment testeten wir also eine leere Probe, ein reines Polymer, mit nur etwas und eines mit viel Biofilm. Im Ergebnis stellten wir fest, dass sich die Kurve verschob, je mehr Biofilm auf dem Polymer saß. Es ist natürlich schön zu sehen, wenn die Idee auch tatsächlich mit der Methode, die wir uns überlegten, funktioniert.
Außerdem bedeutete mir persönlich eine Konferenzeinladung im letzten Jahr sehr viel, auf der ich nicht nur ein Poster präsentieren, sondern auch einen Fachvortrag halten durfte, der gut angenommen wurde. Ich genieße es immer, unsere Projektpartner zu treffen. Es ist immer wieder spannend, wie jeder das Thema von seinem Blickwinkel aus betrachtet, wenn verschiedene Professionen zusammenkommen.
Potthoff: Ein Highlight hat viel mit der Aufstellung von Hypothesen zu tun und damit, eine Strategie zu suchen, die Thesen zu be- oder widerlegen. Ein Highlight ist stets, wenn die Hypothese stimmte und sich nachweisen ließ. Hier ordnen sich die Highlights, die Kathrin Oelschlägel nannte, ein. Hinter allen Erfolgen darf man aber die Rückschläge, aus denen wir viel lernen, nicht vergessen: Man kommt an analytische Grenzen, an Konzentrationsgrenzen, die derzeit mit der Messtechnik noch nicht überschritten werden können; die Sensitivitäten sind nicht immer gegeben oder Ergebnisse fallen nicht eindeutig aus. Dann heißt es: Neue Hypothesen aufstellen und man fängt von vorn an, wenngleich auf einen anderen Level.
Frau Potthoff, Sie rissen die Rückschläge bereits an: Welche weiteren Herausforderung begegneten ihnen in den vergangenen Jahren?
Oelschlägel: Wenn man sich mit Mikroplastik in der Umwelt auseinander setzt, liegt die Herausforderung darin, Umweltprozesse so exakt wie möglich abzubilden. Ich brauchte also für meine Labormessungen eine Flüssigkeit, die Meerwasser entsprach und musste ein Mittelmaß festlegen, nah genug an der Realität zu forschen und gleichzeitig die Versuche nicht zu komplex werden zu lassen. Die Plastikpartikel schwimmen im Wasser. Damit ich sie messen kann, brauche ich meist eine nasse Messmethoden. An sich sahen wir darin kein Problem, doch es kam anders. In der Realität verteilt sich das Plastik einfach mit der Zeit fein im Wasser. Im Laborversuch erwies es sich jedoch als schwierig, Plastik ins Wasser einzubringen, denn die verschiedenen Plastikarten sind hydrophob. Selbst das PET mit seiner höheren Dichte schwimmt anfangs oben auf dem Wasser.
Der Weg zur Lösung war lang und zäh. Normalerweise stellt man den pH-Wert ein. Dann kann man gut dispergieren. Das kann ich in meinen Versuchen nicht. Denn ich möchte naturnah arbeiten. Deshalb muss ich einen natürlichen pH-Wert wählen. Das schränkt mich sehr ein. Alternativ ließe sich ein Additiv zusetzen: Auch hierin bin ich sehr eingeschränkt, weil ich etwas nehmen müsste, was in der Natur vorkommt. Zu dem Zeitpunkt der Forschung wussten wir noch nicht, was dafür sorgt, dass sich die Partikel im Wasser verteilen. Also entschieden wir uns, die Alterungsversuche ohne alles zu machen. Das hieß aber: Das Plastik lag erstmal auf der Wasseroberfläche. Wir sahen dann: je länger das UV-Licht einstrahlte, desto mehr Partikel sanken ab. Das PET lag nach 28 Tagen komplett auf dem Boden; beim LDPT schwamm ein kleiner Teil in der Wassersäule, aber das meiste lag oben auf, weil das LDPT einfach eine geringere Dichte als Wasser hat.
Für die Versuche selbst nahmen wir ein Tensid zur Hilfe, um die Partikel ins Wasser einzubringen. Dabei behalten wir aber stets im Hinterkopf, dass das Tensid auf der Oberfläche liegt und Oberflächeneigenschaften beeinflusst. Wenn ich dann die Oberflächeneigenschaften bewerten möchte, muss ich mir, damit ich meine Ergebnisse nicht verfälsche, genau überlegen, wo ich das Tensid nicht brauche. Den Weg zu brauchbaren Daten zu finden, die wir auf die Umwelt übertragen können, war zu Beginn sehr diffizil und holprig. Wir dachten, wir kommen schneller voran – aber lernten dabei eben viel.
Wie häufig müssen Sie eine Messung wiederholen, damit die Daten statistisch verwertbar sind?
Oelschlägel: Ich führte anfangs Versuche mit einzelnen Proben durch, um eine Idee zu bekommen, inwieweit mein Versuchsaufbau funktioniert. Danach fing ich an, das systematisch zu untersuchen. Ich erstellte Triplikate. Für jeden Messpunkt nehme ich drei unabhängige Proben. Gemessen wird nicht nur am Tag Null und Tag 28, sondern auch an Zwischentagen. Das heißt: Ich messe nicht die Probe an Tag null, stelle sie unter UV-Licht und nehme sie wieder raus, sondern es sind jedes Mal eigenständige Proben für jeden Messpunkt. Sie werden am jeweiligen Messsystem mehrfach gemessen. Bei einem Quickpick, zum Beispiel, liegt die Partikelanzahl im hohen Hunderttausender-, beim PET sogar im Millionenbereich. Mit diesen hohen Stückzahlen erhalte ich statistisch sichere Ergebnisse.
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