Autoren: Lina Holzapfel, Andreas Schnabel, Andrea Gaal

Digital Twins – schlaue Spiegelbilder sorgen für mehr Sicherheit

Ein digitaler Zwilling ist der virtuelle Nachbau eines Objekts, quasi sein Spiegelbild. Es besteht aus Daten und Modellen – und kann das Verhalten des Objekts beschreiben oder vorhersagen. Über virtuelle Tests, Simulationen und Risikoanalysen können Probleme frühzeitig erkannt und der Wartungsaufwand gesenkt werden. Die Daten auf deren Grundlage der Digital Twin arbeitet, müssen im Vorfeld bestimmt werden. An solchen Sensoren, d. h. Messfühlern, die die benötigten Daten messen und bereitstellen, arbeitet das Fraunhofer IKTS.

Für den Bereich sicherheitsrelevanter Strukturen sowohl an Land als auch auf See bearbeitet das Fraunhofer IKTS verschiedene Projekte zu digitalen Zwillingen: Virtuelle Abbilder von Brücken, Rohrleitungsnetzwerken oder Gründungsstrukturen von Offshore-Bauwerken helfen, die Sicherheit dieser Strukturen zu erhöhen und die Kosten des Betreibers für Instandhaltungen zu senken.

 

Sichere Brücken und Rohrleitungen

Die Überwachung und Bestimmung der Restlebensdauer von Brücken (Bild 1) und Rohrleitungen über Digital Twins ist Thema des Projekts DTPIALM (Digital Twin Platform for Infrastructure Asset Lifecycle Management, Förderkennzeichen 01DM21007A).

Das Fraunhofer IKTS realisiert dafür Messsysteme, in die notwendige Sensoren integriert sind. Diese werden fest auf der zu überwachenden Struktur installiert. Eigens entwickelte Messverfahren auf Basis geführter Ultraschallwellen liefern Daten aus den Belastungsversuchen (z. B. Korrosionsversuche). Über IoT-Schnittstellen werden die Daten in den Digital Twin übertragen, so dass dieser mit relevanten und aktuellen Informationen versorgt wird.

Damit der digitale Zwilling die Messdaten adäquat verarbeiten kann, müssen diese klassifiziert und analysiert werden. Die von den Projektpartnern »University of British Columbia« und »National Research Council of Canada NRC« entwickelte KI-Lösung übernimmt diese Aufgabe und stellt die Daten zudem mittels Augmented Reality oder Mixed Reality dar. So ist es dem Wartungsingenieur möglich, ein 3D-Abbild der überwachten Struktur zu betrachten, das mit den gemessenen Daten überlagert ist. Erfolgt dies über ein Smartphone oder eine Datenbrille, kann Instandhaltung vor Ort geplant werden, da Schwachstellen direkt erkennbar sind und unmittelbar begutachtet werden können. Ist man nicht vor Ort, liefert der digitale Zwilling ein realistisches 3D-Abbild, an dem zusätzlich über Simulationen die Restlebensdauer abgeschätzt werden kann.

 

3D-Darstellung einer Brücke auf der vom Projektpartner VEERUM entwickelten Visualisierungsplattform. Das digitale Abbild wurde aus mehreren Drohnenaufnahmen generiert und soll im Laufe des Projekts mit weiteren Informationen zu Zustand und Restlebensdauer ergänzt werden.
© MKP GmbH
3D-Darstellung einer Brücke auf der vom Projektpartner VEERUM entwickelten Visualisierungsplattform. Das digitale Abbild wurde aus mehreren Drohnenaufnahmen generiert und soll im Laufe des Projekts mit weiteren Informationen zu Zustand und Restlebensdauer ergänzt werden.

Überwachung der Gründungsstrukturen von Offshore-Bauwerken

Eine am Fraunhofer IKTS entwickelte Messmanschette (ComoBelt) – ein Gürtel, der mit Sensoren bestückt ist – kann Unterwasserstrukturen dauerhaft überwachen (Bild 2). Mittels sogenannter geführter Wellen werden Schäden in der Struktur detektiert. Doch wie kann man die Daten unter Wasser auslesen, ohne auf riskante Taucheinsätze zurückzugreifen? Dafür werden ROVs (Remote Operating Vehicles) eingesetzt, die die Daten an der Manschette auslesen, per Funk übertragen und in einen digitalen Zwilling einspeisen (Bild 3). Mit diesem datengefütterten 3D-Modell lässt sich an Land die schwer zugängliche Unterwasserstruktur realistisch darstellen und erleichtert so durch die Anzeige von Defekten oder Materialermüdung die Planung der Wartungsmaßnahmen.

Im jüngst gestarteten Projekt »SOT Digital Twin«, das am Ocean Technology Campus Rostock angesiedelt ist, steht die Überwachung solcher Offshore-Bauwerke mit dem ComoBelt des Fraunhofer IKTS im Fokus.

Windenergieanlagen, wie hier im Windpark Baltic1, sind über Gründungsstrukturen am Meeresgrund verankert.
© Fraunhofer IKTS
Windenergieanlagen, wie hier im Windpark Baltic1, sind über Gründungsstrukturen am Meeresgrund verankert.

Im Projektverlauf sollen mit Hilfe der gesammelten Messdaten und verschiedener physikalischer Modelle ebenfalls Aussagen über die verbleibende Nutzungsdauer getroffen werden, um Instandhaltungsmaßnahmen effizient zu koordinieren.

 

Technische Bauwerke länger erhalten

Beide Projekte helfen dabei, nicht nur die Wartung wirtschaftlicher zu gestalten, sondern auch den Lebenszyklus dieser Anlagen zu verlängern. Das bedeutet, dass eine intakte Anlage auch über ihre geplante Lebensdauer hinaus betrieben werden kann, da permanente Überwachung und Schadensvorhersage einen sicheren Betrieb ermöglichen. Das Zurückbauen oder eine Neuerrichtung kann so hinausgezögert, wenn nicht gar vermieden werden. Das spart Zeit, Kosten und Ressourcen.

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Das Unterwasser-Messsystem CoMoBelt wird durch ein ROV angesteuert und ausgelesen.
© GermanRov – Baltic Taucher
Das Unterwasser-Messsystem CoMoBelt wird durch ein ROV angesteuert und ausgelesen.