Autoren: Sandra Klinkmann | Martin Kunath
autartec®: Autark leben im »FreiLichtHaus«
Haben Sie schon mal Ihr Duschwasser in Eimern gesammelt? Was für den einen völlig absurd klingt, war für unsere Wissenschaftler am Fraunhofer IKTS eine Zeit lang Standard. Denn sie entwickeln Systeme, mit denen sich Haushalte in ländlichen Regionen oder auf dem Wasser künftig unabhängig vom öffentlichen Energie-, Wasser- und Abwassersystem versorgen können. Scheint trivial? Ist es aber ganz und gar nicht. Alleine der Wasser- und Abwasserkreislauf ist schon eine Herausforderung für sich. Die Vernetzung der Systeme aber erst recht.
Beim Wasser beispielsweise benötigt ein durchschnittlicher Dreipersonenhaushalt pro Woche ca. 2,5 m³ an Trink- und Brauchwasser, das ununterbrochen keimfrei von irgendwoher kommen und kontrolliert irgendwohin abfließen soll. In Regionen ohne entsprechend vorhandene Infrastruktur – denken wir nur an dünnbesiedelte Bergdörfer oder die See – ist die adäquate Energie- und Wasserversorgung dann doch nicht mehr so trivial, wenn man sich einen gewissen Komfort wünscht.
Um dem Problem der »Versorgungsabhängigkeit« auf den Grund zu gehen, schloss sich daher ein 17-köpfiges Projektkonsortium aus Forschung und Industrie mit einem hehren Ziel zusammen: Sie wollen gemeinsam nichts Geringeres als untersuchen, wie Menschen künftig autark, d.h. unabhängig von zentraler Energie- und Wasserversorgung, aber dennoch komfortabel leben können. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt, genannt autartec®, mit neun Millionen Euro. Diese Summe macht's möglich: Erprobt wird das Vorhaben eben nicht nur im Labor, sondern direkt in einem »schwimmenden Haus«, dem »FreiLichtHaus«, das auf der Lausitzer Seenplatte zu Wasser gelassen wird.
»Duschen für den Fortschritt«
Franziska Saft ist eine der Wissenschaftlerinnen in autartec®. Gemeinsam mit ihren Kollegen am Fraunhofer IKTS kümmert sie sich um die Abwasseraufbereitung und Trinkwasserrückgewinnung im Projekt. Gleich beim Start von autartec® stellte sie fest, dass auch modernste Verfahren der Wasseraufbereitung am Anfang mit ganz banalen Mitteln auf ihre Alltagstauglichkeit getestet werden müssen. So fingen sie und ihre Kollegen an, ihr Duschwasser zu sammeln, denn leicht verschmutztes Wasser, eben ihr Duschwasser, brauchten sie für ihre Versuche; rund 300 l für einen einzigen Zyklus. Also hieß es erstmal »Duschen für den Fortschritt« und das eine ganze Weile!
Damit verschmutztes Wasser in einem autark-arbeitenden Haus nicht mehr in die Kanalisation und Kläranlage fließen muss, sucht Franziska Saft mit ihren Kollegen nach der optimalen Lösung, um es direkt im Haushalt aufzubereiten. Dafür entwickelten die Wissenschaftler einen hochleistungsfähigen Demonstrator, welcher das Wasser unabhängig von Klärwerken reinigt. Für ihre ersten Versuche legten die Forscher für den täglichen Verbrauch rund 120 l pro Person und Tag zugrunde. Dabei berücksichtigten sie allerdings nicht alle Wasserquellen im Haushalt. Das Wasser der Toilette oder auch das der Spülmaschine sparten sie vorerst aufgrund des zu hohen Verschmutzungsgrades aus.
Wasseraufbereitung in Trinkwasserqualität
Eines der primären Ziele bei autartec® ist eben, dass das Wasser nach der Aufbereitung Trinkwasserqualität erreicht. Um das zu bewerkstelligen, wird das Wasser in einem mehrstufigen Verfahren aufgewertet. Dabei stimmen die ersten beiden Schritte mit den Schritten einer normalen Kläranlangenreinigung überein. Weitere Schritte erfolgen mit Hilfe der keramischen Nanofiltration.
Dabei fließt das Wasser durch eine Keramikmembran, die kleinste Partikel, Nanopartikel, zurückhält und so das Wasser reinigt. Man kann sich das wie bei einem Kaffeefilter vorstellen. Ist der Filter zu großporig, gelangt das Pulver in den Kaffee. Das möchte keiner. Deshalb ist es wichtig, dass die Poren des Filters zur Pulverkörnung passen, so gelangt nur der Kaffee rückstandslos in die Kanne. Das gleiche Prinzip trifft auf die Nanofiltration zu.
Ein weiterer, spannender Schritt ist außerdem die Wasserreinigung mit Licht. Bei der sogenannten Photokatalyse werden speziell beschichtete Keramikschäume genutzt, die mittels UV-Strahlung Schad- und Spurenstoffe abbauen. Auf diese Weise wird den Bakterien der Garaus gemacht.
Das autarke Haus
Die Wasseraufbereitung ist aber nur ein Aspekt des gesamten autarken Lebens. Um wirklich autark zu leben, müssen etliche Faktoren zusammenspielen. Genau deshalb errichteten die Forscher von autartec® ein komplettes schwimmendes Haus auf der Lausitzer Seenplatte. Im »FreiLichtHaus« sind die verschiedenen Baumaterialien und Systeme exakt aufeinander abgestimmt, um auch den Raum optimal auszunutzen.
Autark leben wird in diesem Haus zunächst dennoch keiner. Das Haus wird vorerst einerseits als Versuchsraum, andererseits zu Demonstrationszwecken dienen. Damit zukünftig alle Technologien auch den Anforderungen des Alltags sowie bau- und rechtlichen Vorschriften entsprechen, sind aber genau solche Demonstrationsräume besonders wichtig. Es lohnt daher allemal, einmal in der Lausitz vorbeizuschauen und einen Eindruck davon zu gewinnen, wie wir in naher Zukunft leben könnten.
Wie geht es mit autartec® weiter?
Auf der Prioritätenliste ganz oben steht für die Zukunft die Verkleinerung des Aufbereitungssystems, denn nur dann wird das Prinzip des autarken Lebens auch für eine größere Anzahl an Anwendungsfeldern möglich sein, sodass Synergien ideal genutzt werden können.
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