Autor: Martin Kunath
»Look to the east« - Additive Manufacturing research in Asia
Die additive Fertigung ist gegenwärtig zweifelsohne einer der meistdiskutierten Trends im Bereich der Werkstoffentwicklung, Fertigungstechnik sowie der Entwicklung neuer Produkt- und Geschäftsmodelle. Mit rasantem Tempo hat sich dieser Technologieansatz von der reinen Prototypenfertigung zu einer eigenständigen Klasse an Fertigungsverfahren entwickelt, die geringeren Rohstoffeinsatz, neue Designfreiheit und deutlich erweiterte Funktionalität verspricht.
Während in der öffentlichen Wahrnehmung die Verarbeitung von Polymeren dominiert, offerieren im professionellen industriellen Umfeld vor allem additiv gefertigte Metallkomponenten eine neue Perspektive.
Die additive Fertigung ist gegenwärtig zweifelsohne einer der meistdiskutierten Trends im Bereich der Werkstoffentwicklung, Fertigungstechnik sowie der Entwicklung neuer Produkt- und Geschäftsmodelle. Mit rasantem Tempo hat sich dieser Technologieansatz von der reinen Prototypenfertigung zu einer eigenständigen Klasse an Fertigungsverfahren entwickelt, die geringeren Rohstoffeinsatz, neue Designfreiheit und deutlich erweiterte Funktionalität verspricht. Während in der öffentlichen Wahrnehmung die Verarbeitung von Polymeren dominiert, offerieren im professionellen industriellen Umfeld vor allem additiv gefertigte Metallkomponenten eine neue Perspektive.
Je nach betrachtetem Werkstoff und Technologieansatz haben sich einige Unternehmen am Markt etabliert. Doch aufgrund der vorausgesagten Auswirkungen auf die gesamte Produktionskette, drängen gefühlt täglich neue Player auf den Markt. Neben zahlreichen Anbietern von Low-Cost-Systemen für den Massenmarkt, konkurrieren auch etablierte Maschinenbauer mit spezifischen Eigenentwicklungen wie etwa hybriden Systemen. Während die Additive Fertigung über alle möglichen und unmöglichen Materialklassen mit großem finanziellen und personellen Aufwand vorangetrieben wird, bleibt zunächst offen, wohin die Reise geht.
Ein Blick nach Fernost ist hierbei hilfreich. Er erweitert den Horizont für alle Beteiligten, um Selbst- und Fremdwahrnehmung zu spiegeln. Durch die finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erhielten wir die Möglichkeit, in drei bedeutenden asiatischen Technologiehubs einen Blick auf den gegenwärtigen Stand der Forschung zu werfen und unsere Kompetenzen in der Additiven Fertigung vorzustellen. Gemeinsam mit drei Kollegen des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF) machten Dr. Tassilo Moritz, Dr. Matthias Ahlhelm und ich sowie ein langjähriger KMU-Partner des IKTS sich auf den Weg nach Seoul, Hongkong und Singapur. Wir trafen ausgewiesene Experten, diskutierten mit ihnen die Zukunft der Additiven Fertigung und identifizierten gemeinsam Kooperationsthemen. Lassen Sie mich Ihnen davon berichten – von Gemeinsamkeiten ebenso wie dem unterschiedlichen Herangehen.
Station 1: Die Yonsei University in Seoul – viel Platz für Ideen
Die Yonsei University gehört mit der Seoul National University und der Universität Korea zu den drei renommiertesten Universitäten Südkoreas. Sie ging aus einer 1885 gegründeten Medizinschule hervor. Neben einem weitreichenden Campus im Stadtteil Sinchon verfügt die Universität über zwei weitere Areale in Wonju und Songdo.
Angekommen, erhielten wir die Möglichkeit, das Yonsei Institute of Convergence Technology (YICT) am Campus in Songdo zu besuchen. Das Institut ist spezialisiert auf die interdisziplinäre Vernetzung verschiedener Technologien und deren Nutzung vor allem im Rahmen der Ausbildung und Forschung an Querschnittsthemen wie Smart Living, Seamless Transportation, Communication sowie Medical Systems. Im Fokus steht dabei scheinbar Gegensätzliches: Nämlich das Vereinen verschiedener Technologieperspektiven für neue Anwendungen, Ideen und Produkte – ganz wie in der koreanischen Version des Yin und Yang: Dem Eum und Yang.
Wir besichtigen das riesige Campusgelände. Aufgrund der bevorstehenden Festivitäten zum Chinese New Year ist der sonst gefüllte Campus eher spärlich besetzt. Die Ausstattung beeindruckt dennoch. Sie reicht von Reinraumtechnik, exzellentem Analytik- und Charakterisierungsequipment über ein eigenes Robotik-Labor bis zu einem MakerSpace mit circa 30 semiprofessionellen, größtenteils polymerbasierten FDM (Fused Deposition Modeling)-Druckern.
Wir bekommen die Möglichkeit, in einem Seminar die Struktur der deutschen Forschungslandschaft und unsere Kompetenzen im Bereich der Additiven Fertigung vorzustellen. In der anschließenden Diskussion wird schnell klar: Additive Fertigung ist für die koreanischen Studenten kein direkter Forschungsgegenstand. Sie nutzen sie vielmehr als Toolset, Arbeits- und Lehrmittel. Die Ausgewählten der Eliteuniversität treffen auf eine perfekte Ausstattung, um mit allen Technologien zu arbeiten, zu experimentieren und neue Ideen schnell in die Realität umzusetzen. 3D-Drucker werden dabei entsprechend ihres Professionalitätsgrads als ein experimentelles Tool gesehen, um Versuchsanordnungen bei physikalischen oder biologischen Experimenten schnell umzusetzen oder Bauteile für eigens entworfene Roboter und Drohnen rasch selbst herzustellen. Im eigenen Robotik-Lab werden dann die neuen Drohnen in einer riesigen Halle erprobt, in Wettkämpfen getestet und direkt vor Ort optimiert. Beeindruckend ist, wie selbstverständlich 3D-Druck hier in allen Disziplinen bereits fester Bestandteil von Lehre und außeruniversitären Aktivitäten ist. Obwohl die 30 Drucker dabei quasi Tag und Nacht laufen, gibt es am Institut keine Bestrebungen, selbst Materialien oder Technologien dafür zu entwickeln. Unsere Nachfragen dazu überraschen die Studenten: »Es forscht ja auch keiner an einem Kugelschreiber, nur weil er mal etwas schreiben möchte«, erhalten wir zur Antwort.
Der Sinchon-Campus im Herzen Seouls ist mit 25 000 Studenten etwa fünfmal so groß wie der Campus im Außenviertel Songdo. Die lange medizinwissenschaftliche Tradition wird uns spätestens deutlich, als wir in Sinchon das riesige Severence Hospital direkt neben dem Campus sehen. Interessanterweise entstand die Yonsei University aus dem Zusammenschluss des Krankenhauses mit der Yonhi University, die von dem amerikanischen Presbyterianer H. G. Underwood zunächst im örtlichen YMCA-Gebäude gegründet wurde. Der Ohrwurm für den restlichen Aufenthalt war dann also auch geklärt.
Auch in Sinchon erhalten wir nach einem Treffen mit dem Dekanat die Möglichkeit, den gesamten Campus zu besichtigen, was sich schnell zu einem Marathon entwickelt. Bei mehr als 22 Colleges, 21 Graduate Schools und 155 Forschungsinstituten bleibt leider wenig Zeit, in die Tiefe zu gehen. Additive Fertigung spielt auf dem Campus als Forschungsthema keine entscheidende Rolle, sodass wir gebeten werden, unsere FuE-Aktivitäten später in der gesamten Vielfalt darzustellen.
Dafür organisieren die koreanischen Forscherkollegen schnell noch eigens für uns Gäste ein Kolloquium. Wir berichten von unseren aktuellen Projekten im Bereich additiv gefertigter funktionalisierter keramischer Komponenten, polymerbasierter Mikrofluidik unter Nutzung stereolithografischer 3D-Druckverfahren sowie Komposittechnologien (Carbon/Epoxid) als effiziente Herstellungsmethode für Bio-Scaffolds oder Medizintechnikkomponenten. Das Interesse an keramischen Fertigungsverfahren ist enorm, da insbesondere in der Medizin- und Orthopädietechnik verschiedenste Anknüpfungspunkte mit dem anliegenden Severence Hospital bestehen. Funktionsintegration ist hier das entscheidende Stichwort im Forschungskontext. Das bedeutet: Integration sensorischer respektive aktorischer Komponenten, Gradientenwerkstoffe und funktionalisierte Oberflächen für Drug-Delivery-Devices werden gegenwärtig mit vornehmlich konventionellen Fertigungsrouten untersucht. Gemeinsam diskutieren wir alle mit Dr. Kyoung-Jong Kim, Associate Principal Researcher im Bereich Electronic Materials Research von Kolon Industries Inc., die Anwendungsbereiche neuer Werkstoff- und Technologierouten, um funktionalisierte und personalisierte Medizinkomponenten für den südkoreanischen Markt zu entwickeln.
Im Rückblick auf Seoul zeigen sich zwischen deutschen und koreanischen Partnern und deren Forschungsthemen wesentliche Unterschiede. Während die Südkoreaner extrem stark in der Nutzung additiver Technologien sind, bestehen hinsichtlich deren Weiterentwicklung kaum Bestrebungen. Anwendungsseitig überzeugt insbesondere der gelebte interdisziplinäre Ansatz bei der Ausbildung von Under- und Postgraduates am YICT, die ohne Scheuklappen auf eine Vielzahl an Technologien als Mittel zum Zweck zugreifen. Erkennbar war zudem, dass Südkorea aktuell große Anstrengungen unternimmt, die bestehenden Technologietransferaktivitäten zentral zu stärken und durch geeignete Programme auszubauen – Fraunhofer agiert hier unter anderem durch die bestehenden Best-Practice-Beispiele als Vorbild und Orientierungshilfe.
Details zu den Stationen Honkong und Singapur erfahren Sie im zweiten Teil. In welchen Bereichen verwenden diese Regionen heute bereits Additive Fertigung? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Entwicklungen in Deutschland werden sichtbar? Welche Kooperationsmöglichkeiten eröffnen sich dadurch für Unternehmen und Forschungseinrichtungen? Derartige Fragen klären wir im zweiten Teil.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit Additiver Fertigung? Wie schätzen Sie deren Potenzial ein? Für welche Branchen sehen Sie Stärken? Welches sind drängende Fragen, die augenblicklich noch zu lösen sind? Teilen Sie uns ihre Meinung gerne mit.
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